"Ich sah die Welle einem Feuerwehrauto nachjagen. Ich sah, wie sie Häuser zerquetschte. Es war einfach unglaublich. Ich finde keine Worte, um das zu beschreiben ", sagt Tomoyuki Matsuhashi. Der 41-jährige Vater hat es geschafft, der zehn Meter hohen Flutwelle und einem tobenden Feuer, das am 11. März durch seine Heimatstadt Otsuchi fegte, zu entkommen.
Er lief zuerst in das Zimmer, wo sein kranker Vater lag, um ihn vor den umfallenden Möbeln zu retten. Seine Frau lief unterdessen zur nahe gelegenen Schule, um ihren kleinen Sohn und ihre Tochter abzuholen. "Das Erdbeben war sehr stark", sagt er. "Es war größer als alles, was ich je zuvor gespürt hatte. Es gab zehn Nachbeben, und vielleicht 20 Minuten später dann, kam das Wasser. " Tomoyukis Haus wurde vom Feuer niedergebrannt. Seitdem nennen sie den örtlichen Shinto-Schrein ihr Zuhause. Der traditionelle Schrein ist das einzige Gebäude im 17.000-Einwohner großen Otsuchi, das noch intakt ist. Alles, was Tomoyuki vom heiligen Schrein aus sieht, sind Berge aus verschmolzenem Metall, ausgehöhlte Gebäude, wie Spielzeug umgekippte Autos und aus ihren Fundamenten gerissene Häuser. Doch der Schrein wurde verschont. "Das Wasser des Tsunamis kam bis zur ersten Stufe des Schreins und blieb dort stehen. Dahinter hatte ein Wald Feuer gefangen und das Feuer kam auf uns zu, doch auch die Flammen stoppten ein paar Meter vor dem Heiligtum." Dieser Zufluchtsort bietet nun Unterschlupf für 22 Personen, darunter Tomoyuki mit seiner Frau, den beiden Kindern und seinem Vater. Es wird geschätzt, dass die Hälfte der Bevölkerung in dieser Küstenstadt im Tsunami umgekommen ist. Diejenigen, die überlebten, werden regelmäßig von den mobilen medizinischen Teams der Japanischen Roten Kreuzes besucht. Zeitgleich sind 35 solcher Teams im gesamten Katastrophengebiet unterwegs und bieten medizinische Grundversorgung und psychosoziale Unterstützung für Kinder, ihre Eltern und ältere Menschen. Insgesamt 424 Teams stehen für den Einsatz zur Verfügung. "Hilfe zur Bewältigung dessen, was die Menschen hier erlebt haben, wird immer wichtiger, denn sie begreifen zunehmend ihre Lage“, sagt Chieko Ishihara, Krankenschwester eines Rotkreuz-Teams. "Aber es sind nicht nur die Überlebenden, die Beratung benötigen werden, auch die helfenden Menschen werden Unterstützung brauchen. Zum Beispiel gibt es zwei Frauen, die jetzt eine provisorische Leichenhalle betreuen. Was sie sehen und riechen, werden sie nie vergessen. Wir werden ihnen helfen, mit dem, was sie erleben klarzukommen." Im Shinto-Schrein in Otsuchi lebt man von einem Tag zum anderen. Abgesehen von ein wenig Bargeld, konnte die Matsuhashi-Familie nur die Kleider retten, die sie tragen. Sie erhielten kürzlich einige Kleiderspenden. Strom gibt es immer noch nicht in der Stadt. In der Nacht ist ihre einzige Lichtquelle ein Feuer, auf dem sie Wasser kochen, und das die Schlafbereiche warm hält. Dennoch denkt Tomoyuki nicht daran, wegzugehen. "Es ist meine Pflicht, zu bleiben, den Schrein zu schützen und den anderen Evakuierten zu helfen", sagt er. Denn er hat noch Hoffnung. "Wir feiern jedes Jahr im September ein großes Fest am Schrein. Es wird einige Zeit dauern, aber ich möchte dieses Fest wieder ausrichten. Wir werden alles wieder aufbauen."