Die Menschen in Somalia müssen mit einer Reihe von Herausforderungen umgehen: Armut, politische Instabilität und fehlende Infrastruktur, Naturkatastrophen und die Folgen des Klimawandels sind für sie zehrender Alltag. Seit rund 25 Jahren engagiert sich das Deutsche Rote Kreuz im Land und arbeitet in unterschiedlichen Bereichen vertrauensvoll mit dem Somalischen Roten Halbmond zusammen.
Laut Schätzungen der Weltbank (2016) lebt jeder zweite Somali in Armut, mit weniger als 1,90 Dollar am Tag. Politische Instabilität, bewaffnete Konflikte, fehlende Infrastruktur sowie immer häufiger auftretende Wetterextreme haben die Situation der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten deutlich verschärft. Schwere Dürreperioden in den vergangenen Jahren haben landwirtschaftliche Nutzflächen wie Äcker und Weideland vertrocknen und Nutzvieh verenden lassen. Dies hatte gravierende Folgen für die Bevölkerung. Derzeit leiden 4,6 Millionen Menschen unter Ernährungsunsicherheit, geschätzte 1,2 Millionen Kinder sind mangelernährt – davon sind knapp 954.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt.
Ein Choleraausbruch im Frühjahr/Sommer 2017 hat der geschwächten Bevölkerung darüber hinaus zugesetzt und das ohnehin unzureichende Gesundheitsversorgungssystem überfordert. Gesundheitsindikatoren für Somalia mit einer hohen Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren – 137 von 1.000 Kindern sterben – und der höchsten Müttersterblichkeit in der Region bestätigen die schlechte Situation. Insgesamt benötigen 5,7 Millionen Menschen, vor allem Kinder, Zugang zu medizinischer Versorgung.
Mitte 2022 hat sich die Ernährungskrise durch den bewaffneten Konflikt in der Ukraine weiter verschärft: Der Import von Weizen aus der Ukraine und Russland ist stark eingebrochen, die Preise für den noch verfügbaren Weizen massiv gestiegen. Bereits jetzt können sich rund 45 Prozent der Bevölkerung nicht mehr mit Nahrungsmitteln versorgen. Um die Menschen in der Region zu unterstützen, verteilt das DRK Bargeldhilfen – eine besonders selbstbestimmte Form humanitärer Unterstützung.
Die Regionalregierung Somalilands hat im Januar 2022 den Dürrenotstand ausgerufen: Durch die Wasserknappheit ist die Lebensgrundlage der vorwiegend von Landwirtschaft lebenden Bevölkerung gefährdet. 800.000 Menschen sind in Somaliland betroffen und benötigen dringend humanitäre Hilfe: Es fehlt vor allem an Wasser und Nahrung.
Mit einem vom Auswärtigen Amt geförderten Soforthilfeprojekt unterstützt das DRK rund 9.000 besonders gefährdete Menschen mit Bargeldhilfen dabei, ihre Lebensgrundlage für die kommenden Monate zu sichern.
Die Bargeldhilfen ermöglichen eine schnelle und flexible Reaktion auf die akute Notlage: Die Betroffenen können damit selbstbestimmt ihren dringendsten Bedarf decken. So können sie z.B. Wasser kaufen, das per Tankwagen in die Gemeinden gebracht wird, oder Nahrungsmittel auf lokalen Märkten erwerben.
Immer wieder ist das DRK in Somalia im Einsatz, um Notlagen zu lindern. Gemeinsam mit dem Somalischen Roten Halbmond entwickeln wir je nach Situation passende Hilfsmaßnahmen, damit der Bevölkerung sofort Hilfe zukommen kann. So haben wir den Somalischen Roten Halbmond bei seiner Nothilfe im Zuge der starken Dürre 2016 und 2017 unterstützt, um eine Hungersnot zu verhindern. Wir haben zum Beispiel Wassersammelbecken aufgefüllt und ernährungsunterstützende Maßnahmen eingeleitet.
In mobilen Gesundheitsstationen fuhren Teams aus Ärzten und Krankenschwestern in entlegene dürregezeichnete Gemeinden und behandelten die Menschen, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Weil die von der Dürre betroffenen Familien selbst am besten wissen, was sie dringend brauchen, haben wir Bargeldhilfen verteilt. Das Bargeld stärkt neben ihrer Selbstbestimmung auch die lokale Wirtschaft.
Auch während der verheerenden Hungersnot 2011 haben wir uns engagiert und zum Beispiel Not-Ernährungszentren eingerichtet.
Bereits vor der Corona-Pandemie war die Situation in Ostafrika dramatisch. Eine massive Heuschreckenplage sorgt in Somalia seit 2019 für Ernteausfälle und Ernährungsunsicherheit. Die weltweite Aufmerksamkeit hat sich ein Stück weit von der Heuschreckenplage weg verlagert. Verbunden mit den Auswirkungen der Pandemie und schwierigen klimatischen Bedingungen bedeutet dies für die Betroffenen sowie die Helferinnen und Helfer, dass es noch schwieriger ist, Unterstützung bereitzustellen.
Ziel all unserer Maßnahmen ist es, die Widerstandsfähigkeit der Somalierinnen und Somalier so zu stärken, dass sich Krisen in Zukunft weniger gravierend für sie auswirken. Damit unsere Projekte nachhaltig wirken, setzen wir sie mit intensiver Beteiligung der Bevölkerung sowie enger Zusammenarbeit mit Gemeindeorganisationen und Behörden um. In all unsere Projekte fließt ehrenamtliches Engagement aus den Gemeinden mit ein. Freiwilliges Engagement ist einer der Grundsätze der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Weil Überschwemmungen und intensive Dürreperioden als Folgen des Klimawandels Somalia immer häufiger treffen, unterstützen wir den Somalischen Roten Halbmond dabei, die Bevölkerung dafür zu wappnen. So helfen wir beim Aufbau einer langfristigen, gemeindebasierten Katastrophenvorsorge.Für schnelle Hilfe im Ernstfall gründen wir zum Beispiel lokale und regionale Einsatzteams und bilden sie aus. In Risiko- und Kapazitätsanalysen werden in den Gemeinden Naturgefahren und Katastrophenrisiken, wie beispielsweise ungesicherte Wasserstellen, wetteranfällige Einkommensquellen sowie lokale Selbsthilfekapazitäten (katastrophensichere Gebäude, Personen mit Erste-Hilfe-Kenntnissen etc.) identifiziert.
Aus diesen Analysen werden in einem weiteren Schritt konkrete Maßnahmen entwickelt, die das Ausmaß künftiger Katastrophen verringern sollen. Solche Maßnahmen können die Bepflanzung von Flächen – um die Bodenerosion zu verringern –, das Errichten von Schutzwällen auf Feldern oder die Befestigung von wichtiger Infrastruktur sein.
Um die Gemeindemitglieder in die Vorbereitung auf Katastrophenfälle mit einzubeziehen, koordinieren die Einsatzteams die Aktivitäten in den Gemeinden und führen Simulationsübungen durch, damit im Notfall jeder weiß, was zu tun ist. Die Teams setzen darüber hinaus nicht nur Aufklärungskampagnen rund um das Thema Klimawandel um, sondern setzen sich dafür ein, dass die Folgen des Klimawandels stärker in übergeordneten Strategien, Plänen und Programmen berücksichtigt werden.
Eine angemessene Wasser- und Hygienesituation kommt der Ernährung und der Gesundheit zugute. Um sie zu verbessern, baut und saniert das DRK in den Gemeinden Somalias Brunnen und große Wassersammelbecken – traditionelle Berkads. Wasserkomitees mit geschulten Dorfbewohnern sorgen dafür, dass diese Einrichtungen langfristig instand gehalten werden.
Über den Ausbau der Infrastruktur hinaus führen wir Trainings rund um das Thema Gesundheit und Hygiene durch, um ein verbessertes Hygieneverhalten zu fördern. Denn durch die Anwendung einfacher Hygieneregeln und die Nutzung sauberen Wassers lassen sich Infektionskrankheiten besser vorbeugen und die Gesundheit der Menschen verbessern. Ergänzend dazu verteilen wir Wasseraufbereitungstabletten, Wasserfilter und Hygieneartikel.
Für einen großen Teil der Menschen in Somalia ist die Nutztierhaltung neben der Landwirtschaft eine wichtige Einnahmequelle. Wie landwirtschaftlicher Anbau sind auch Nutztiere anfällig für die Folgen von Wetterextremen, so dass unzählige Existenzen den Klimarisiken unterworfen sind. Im Falle einer Katastrophe verlieren die Betroffenen schnell ihr gesamtes Hab und Gut. Darüber hinaus sind viele junge Menschen, die in Somalia einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, ohne ausreichende Bildung aufgewachsen, sodass ihnen Perspektiven fehlen, um ein von externer Hilfe unabhängiges Leben zu führen.
Um die Lebensgrundlagen der Menschen zu stabilisieren, unterstützen wir sie, Einkommensalternativen zu entwickeln. Je nach Region können das zum Beispiel die Fischerei, die Imkerei oder das Führen kleiner Geschäfte sein. So sind die Menschen weniger abhängig von einer Einkommensquelle und können ihre Existenz besser sichern. Kleinbauern nehmen an Schulungen teil, um neue landwirtschaftliche Techniken und Anbaumethoden zu erlernen. Von uns bereitgestelltes Werkzeug und neue Bewässerungssysteme sind ihnen bei ihrer Arbeit eine große Hilfe.
Die Verbesserung der Lebensgrundlagen von vulnerablen Haushalten gehört zu den Zielen des Deutschen Roten Kreuzes.
Region: Somaliland
Projektvolumen: 506.978 Euro
Dauer: Januar 2018 bis Dezember 2020
Finanzierung: BMZ – Sozialstrukturhilfe
Partner: Somalischer Roter Halbmond