Hunger­hilfe im Kriegs­ge­biet: Rotes Kreuz startet Mega-Operation in Somalia

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Der Grad der Unterernährung wird bei Kindern am Umfang des Oberarms und dem Gewicht festgestellt.

Selbst­mord­an­schläge, Entführungen und schwere Gefechte in Mogadischu: Somalia kommt nicht zur Ruhe. Im Vordergrund steht derzeit die Offensive gegen die Rebellen der radi­kal­is­la­mi­schen Al-Schabaab-Miliz. Nicht mehr viel Notiz genommen wird von der verheerenden Dürre in dem Land am Horn von Afrika. An derdra­ma­ti­schen Situation hat sich jedoch nichts geändert, noch immer sind über 750 000 Menschen vom Hungertod bedroht. Und Experten befürchten, dass sich die Lage noch verschlimmern wird.

Von Carola Frentzen und Shabtai Gold, dpa
Publiziert mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Presse Agentur
Das Rote Kreuz hat deshalb jetzt ein ehrgeiziges und gleichzeitig gefährliches Projekt zur Lebens­mit­tel­ver­teilung gestartet: "Wir wollen bis Ende des Jahres eine Million Menschen mit Nahrung versorgen", sagte Yves Van Loo, ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuzes (IKRK) in Somalia, der Nachrichtenagentur dpa. Die Organisation ist seit 30 Jahren in dem Bürgerkriegsland tätig und hat sich stets um strikte Neutralität bemüht. Nicht zuletzt deshalb ist das Rote Kreuz eine der ganz wenigen Organisationen, die im ganzen Land arbeiten können - also auch in den von der Al Schabaab kontrollierten Gebieten im Zentrum und Süden des Landes, die besonders stark von der Dürre betroffen sind. Die Rebellen haben vielen anderen Hilfsorganisationen bereits vor Jahren die Arbeit verboten, weil sie ihnen vorwerfen, politische oder religiöse Ziele zu verfolgen. Van Loo erklärt, dass manchmal langwierige Verhandlungen nötig seien, um humanitäre Operationen in die Wege zu leiten. "Zunächst suchen wir den Dialog mit allen Parteien, und wenn wir ihr Vertrauen gewonnen und bewiesen haben, dass wie keine verborgenen Motive haben, dann können wir konkret über Operationen sprechen." Gefährlich bleibt die Sache trotzdem, denn in Somalia weiß man nie, wann und wo der nächste Sprengsatz explodiert. "Wir verteilen keine Lebensmittel an Orten, wo gerade Bomben fallen", betont Van Loo. "Wir wollen nicht, dass Zivilisten sich in Gefahr bringen, um Nahrung zu bekommen." Die neue Mega-Operation soll nun in den entlegensten Gebieten starten. Nach und nach wollen sich die Helfer dann bis Mogadischu vorarbeiten. Eine erste Lieferung wurde bereits mit Lastwagen nach Gedo im tiefen Süden des Landes gebracht. Sie umfasste genug Bohnen, Öl und Reis, um 72 000 Hungernde einen Monat lang zu ernähren. Weitere Lebensmittel sollen in den nächsten Monaten folgen. Rund vier Millionen Menschen sind in dem Krisenstaat, in dem es seit 20 Jahren keine funktionierende Zentralregierung mehr gibt, auf Nahrungshilfe angewiesen. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA) wird sich die Situation auch in absehbarer Zeit nicht verbessern, sondern "wahrscheinlich wird sich die Hungersnot weiter ausbreiten". In sechs Regionen hat die UN bereits vor Wochen eine akute Hungersnot ausgerufen. Besonders kritisch bleibt die Lage für Kinder, deren kleine und geschwächte Körper besonders unter der Mangelernährung leiden. Laut OCHA sind 450.000 somalische Kinder unterernährt, hinzu kommen Krankheiten wie Masern, Cholera, Lungenentzündung und Malaria. Aber vielerorts gibt es keine Möglichkeit für die Eltern mehr, ihre leidenden Kindern behandeln zu lassen. Die meisten Krankenhäuser sind wegen des Krieges in einem erbärmlichen Zustand, und viele Ärzte sind ins Ausland abgewandert. "Es gibt mittlerweile viel zu wenig medizinisches Personal", sagt Van Loo. Die, die geblieben sind, arbeiten rund um die Uhr. "Nur ganz wenige haben überhaupt noch ein normales gesellschaftliches Leben." Es wird lange Zeit brauchen, um Somalia wieder auf die Beine zu helfen. Zu viel ist geschehen, zu viel ist kaputt. Aber wenn die Operation des Roten Kreuzes gelingt und nicht im Bombenhagel scheitert, dann gibt es für eine Million Menschen zumindest vorübergehend wieder Hoffnung.
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Der Grad der Unterernährung wird bei Kindern am Umfang des Oberarms und dem Gewicht festgestellt.
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In den Gesund­heits­sta­tionen des Somalischen Roten Halbmondes herrscht großer Andrang. (Fotos: Olav Saltbones/ Norwegisches Rotes Kreuz/ IFRC)
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