Der erste Strafsenat des OLG Koblenz verurteilte den Angeklagten Anwar R., einen ehemaligen Oberst des syrischen Geheimdienstes, unter anderem wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form von Tötung, Folter, schwerwiegender Freiheitsberaubung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Tateinheit mit Mord in 27 Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Der Staatsschutzsenat des OLG Koblenz sah es als erwiesen an, dass der syrische Staatsbürger Anwar R. im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs des syrischen Regimes gegen die eigene Zivilbevölkerung als Mittäter 27 Menschen ermordete sowie 4.000 Menschen in schwerwiegender Weise der Freiheit beraubte und folterte. Anwar R. sei hochrangiges Mitglied des syrischen Geheimdienstes gewesen. Ihm habe eine Vernehmungsabteilung unterstanden, an die ein Gefängnis angeschlossen gewesen sei. Insassen des Gefängnisses seien ohne rechtsstaatliches Verfahren eingesperrt und bei Vernehmung zum Beispiel durch Schläge mit Kabeln oder Stöcken, Tritte und Elektroschocks gefoltert und durch sexuelle Gewalt gedemütigt worden. Auch außerhalb der Vernehmungen seien die Gefangenen misshandelt worden, es sei teilweise nicht möglich gewesen zu schlafen, die Gefangenen seien nicht medizinisch versorgt und unzureichend oder mit ungenießbaren Lebensmitteln ernährt worden. Dies sei im Rahmen einer umfassenden Strategie des Regimes geschehen, um die syrische Bevölkerung gefügig zu machen. Als Leiter der Vernehmungsabteilung habe der Angeklagte die Abläufe in dem Gefängnis überwacht und maßgeblich bestimmt und sei daher als Mittäter aufgrund von Entscheidungs- und Befehlsgewalt für die Taten verantwortlich.
Grundlage für die Zuständigkeit des OLG Koblenz war das in § 1 Satz 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) aufgenommene Weltrechtsprinzip. Danach ist das VStGB auch auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit anwendbar, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.
Der frühere Mitangeklagte Eyad A. war bereits am 24. Februar 2021 wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er habe, ebenfalls als Mitglied des syrischen Geheimdienstes, im September/Oktober 2011 nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration 30 Personen festgenommen und in das von dem nun verurteilten Anwar R. geleitete Gefängnis verbracht, wobei er wusste, dass die Festgenommenen dort brutal misshandelt und systematisch gefoltert würden.
Beide Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.
Die Angeklagte reiste mit ihrem minderjährigen Sohn nach Syrien, wo sie zuließ, dass er als Kämpfer des IS rekrutiert wurde und bei einem Bombenangriff starb. Daraufhin verurteilte sie das OLG Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Kriegsverbrechen, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und fahrlässiger Tötung.
Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagte gemeinsam mit ihrem damals fast 14-jährigen Sohn zu ihrem Ehemann, der als Kämpfer des Islamischen Staates (IS) aktiv war, nach Syrien gereist sei. Sie habe von 2017 bis 2018 in die Strukturen des IS eingegliedert gelebt. Daneben habe sie zugelassen, dass der IS ihren dann 14-jährigen Sohn als Kämpfer ausbildete und anschließend im syrischen Bürgerkrieg einsetzte. Die Angeklagte habe die Ideologie des IS geteilt und ihren Sohn der Terrormiliz überlassen. Während eines Kampfeinsatzes im Februar 2018 sei ihr Sohn bei einem Bombenangriff in einem Dorf am Euphrat gestorben. Am 24.03.2022 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg die Angeklagte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Kriegsverbrechen, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und fahrlässiger Tötung einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren.
In Bezug auf den am 24.03.2022 auf dem Staatsgebiet der Ukraine eskalierten bewaffneten Konflikt wurden in den letzten Monaten verschiedene Verfahren sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene angestoßen.
Am 01.03.2022 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) der russischen Regierung mittels vorläufiger Maßnahme auf, es zu unterlassen, Zivilisten oder zivile Objekte in Gebieten unter russischem Angriff oder Belagerung anzugreifen. Die Entscheidung erging durch den Präsidenten des Gerichts auf Antrag der ukrainischen Regierung vom 28.02.2022.
Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich daraus, dass zu diesem Datum beide Staaten Vertragspartei der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) waren. Auf seinen Ausschluss aus dem Europarat vom 16.03.2022 wird die EMRK in Russland ab dem 16.09.2022 nicht mehr gelten. Grundlage für die Befugnis zum Erlass einer vorläufigen Anordnung ist Art. 39 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.
Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) leitete am 02.03.2022 Ermittlungen zum bewaffneten Konflikt in der Ukraine ein. Zuvor hatten 39 Vertragsstaaten dem Ankläger die Situation in der Ukraine nach Art. 13 lit. a), 14 Abs. 1 Römisches Statut unterbreitet.
Die Arbeitsweise und Zuständigkeit des Gerichts wird durch das Römische Statut geregelt.
Eine Besonderheit ist, dass sich der IStGH nach Art. 34 Römisches Statut sowohl aus einem Gericht als auch aus einer Anklagebehörde zusammensetzt. Weder die Ukraine noch Russland sind Vertragsstaaten des Römischen Statutes, doch die Ukraine hat mit Erklärung vom 08.09.2015 die Jurisdiktion des IStGH über Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen von höheren Beamten der russischen Streitkräfte und der „LNR“ und „DNR“ auf ukrainischem Gebiet seit dem 20.02.2014 akzeptiert.
Am 16.03.2022 erließ der Internationale Gerichtshof (IGH) im Verfahren der Ukraine gegen Russland zu Vorwürfen des Völkermords nach dem Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Völkermordkonvention) die vorläufige Anordnung, dass Russland mit sofortiger Wirkung die militärischen Handlungen suspendieren müsse, die es am 24.02.2022 auf dem Staatsgebiet der Ukraine begonnen habe. Zudem müsse Russland dafür Sorge tragen, dass diese militärischen Handlungen nicht weiter gefördert würden. Weiter gab das Gericht beiden Parteien auf, vor dem endgültigen Urteil von Handlungen Abstand zu nehmen, welche die Auseinandersetzung verstärken oder ausweiten.
Grundlage für die Zuständigkeit des Gerichts ist Artikel IX der Völkermordkonvention, wonach Streitfälle zwischen den Vertragsstaaten hinsichtlich der Auslegung, Anwendung und Durchführung der Konvention auf Antrag eines Vertragsstaates dem IGH unterbreitet werden können. Rechtsgrundlage für den Erlass vorläufiger Maßnahmen ist Art. 41 IGH-Statut.
Mit Unterstützung der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) wurde am 25.03.2022 ein Gemeinsames Ermittlungsteam (Joint Investigation Team, JIT) für Ermittlungen zu behaupteten Kriegsverbrechen im bewaffneten Konflikt auf dem Staatsgebiet der Ukraine gebildet. Das JIT bestand ursprünglich aus Litauen, Polen und der Ukraine sowie dem Ankläger vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Am 31.05.2002 schlossen sich Estland, Lettland und die Slowakei dem JIT an. Das JIT soll Ermittlungen aller Beteiligter erleichtern.
Rechtsgrundlage für die Arbeit von Eurojust ist die seit 12.12.2019 gültige Verordnung (EU) 2018/1727. Eurojust unterstützt und verstärkt die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den nationalen Ermittlungsbehörden bei bestimmten Verbrechen.
Der Begriff „Völkermord“ wird durch die UN-Völkermordkonvention definiert. Das Europäische Parlament und die Vereinten Nationen erkennen die Straftaten des Islamischen Staates (IS) gegen Jesidinnen und Jesiden als solchen an.
Unter Völkermord (oder auch Genozid) fallen nach Art. 2 der UN-Völkermordkonvention aus dem Jahr 1948 bestimmte Handlungen, „die in der Absicht begangen [werden], eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Hierunter fallen 1) Tötung, 2) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden, 3) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für eine Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen, 4) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb Gruppe gerichtet sind und 5) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe. Die Konvention wurde von insgesamt 152 Staaten ratifiziert. Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte sie im Jahr 1954 und die Deutsche Demokratische Republik 1973. Die UN-Völkermordkonvention stimmt mit der Definition in Art. 6 des Römischen Statuts (Rome Statute) des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) überein. Der IStGH ist für die schwersten Verbrechen, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, wozu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression zählen, zuständig.
Vergangenen Februar forderte der Co-Vorsitzende der Stelle für Jesidische Angelegenheiten in Berlin, Gohdar Alkaidy, im Petitionsausschuss des deutschen Bundestages, die Straftaten des IS gegen ca. 10.000 Jesidinnen und Jesiden seit August 2014 als Völkermord anzuerkennen. Diese umfassen Folter und unmenschliche Behandlung, Hinrichtungen, sexuelle Gewalt und Versklavung. Die Klassifizierung als Völkermord ist in Deutschland trotz der Befürwortung vieler Abgeordneter umstritten, u.a. weil der Begriff nicht verwässert werden soll. Im Gegensatz zur Bundesregierung bewerten das Europäische Parlament und die Vereinten Nationen die Taten des IS gegen Jesidinnen und Jesiden bereits als Völkermord. Hierzulande sind z.B. die Ermordung und Deportation der Herero und Nama durch die deutschen Kolonialtruppen in Namibia, die Ermordung und Deportation der Armenier im Osmanischen Reich, der Holocaust an den Juden und die Ermordung der Tutsi (und Hutu) in Ruanda als Völkermord anerkannt.
In Deutschland wird Völkermord gem. § 6 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Am 30.11.2021 erging das weltweit erste Urteil des OLG Frankfurt a.M. wegen Völkermordes durch Tötung eines jesidischen Mädchens. Neben der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte in solchen Fällen aus dem Weltrechtsprinzip. Dieses sieht vor, dass alle Staaten für Straftaten ohne Bezugspunkt zu ihrem Territorium zuständig sind, wenn durch die Straftat international geschützte Rechtsgüter verletzt werden. Darunter fallen u.a. gemäß Art. 1 Völkerstrafgesetzbuch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen als Straftaten gegen das Völkerrecht.
Ab November 2022 hat das DRK-Generalsekretariat in Berlin noch Kapazität, Praktikantinnen und Praktikanten oder Referendarinnen und Referendare auszubilden.
Das DRK-Generalsekretariat bildet im Team Justitiariat sowohl Praktikantinnen und Praktikanten als auch Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare aus. Das Team Justitiariat befasst sich im Bereich des internationalen Rechts mit aktuellen Entwicklungen im Humanitären Völkerrecht, den Grundsätzen der Rotkreuz-Rothalbmond-Bewegung und der Verbreitung des Humanitären Völkerrechts in Deutschland. Je nach aktuellem Tagesgeschäft wird ein Einblick in die nationale Arbeit des DRK auf dem Gebiet des Humanitären Völkerrechts sowie in die internationale Zusammenarbeit des DRK mit anderen Teilen der Rotkreuz-Rothalbmond-Bewegung gewährt. Im Zuge dessen erhalten Praktikantinnen und Praktikanten und Rechtsreferendarinnen und Referendare u.a. die Möglichkeit, Veranstaltungen beizuwohnen, Dokumente und Fragen des internationalen Rechts im Rahmen des Mandates des DRK zu bearbeiten und Materialien für die Verbreitungsarbeit zu erstellen.
Bewerbungsunterlagen können an die E-Mailadresse hvr(at)drk(dot)de gesendet werden.