Über dreieinhalb Jahre ist es her, dass der bewaffnete Konflikt in der Ukraine eskalierte. Das Ausmaß der Zerstörung, die vielen schweren Schicksale – all das mitten in Europa. Die Lage ist bedrückend. Doch unsere Hilfe gibt Hoffnung.
Am Anfang bekam Ruslana (72) von dem Konflikt in ihrem Land nur im Fernsehen etwas mit. Besorgt hörte sie Berichte über die enorme Zerstörung in Kyjiw und der Ostukraine. Sie hoffte innig, dass die Gewalt ihrem kleinen Dorf in der Provinz Riwne im Westen des Landes fernbleiben würde.
Medizinische Grundversorgung von 44.000 Menschen durch 22 mobile Gesundheitsstationen
Häusliche Pflege für rund 1.500 Menschen
Psychosoziale Unterstützung für 11.500 Menschen
Beheizen von Krankenhäusern und Schulen im Winter für insgesamt 19.000 Menschen
Als die Lage in der Ukraine eskalierte, leitete das Deutsche Rote Kreuz sofort umfassende humanitäre Hilfen in die Wege, um den betroffenen Menschen schnellstmöglich beizustehen. Schon wenige Tage nach der Eskalation des Konfliktes am 24. Februar 2022 schickte das Deutsche Rote Kreuz 88 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine.
Unser Fokus lag auf den dringendsten Bedürfnissen der Menschen. Dafür lieferten wir zum Beispiel Lebensmittel, Feldbetten und Schlafsäcke und verstärkten unsere enge Kooperation mit dem Ukrainischen Roten Kreuz. Seither unterstützen wir unsere Schwestergesellschaft außerdem beim Betrieb von über 20 mobilen Gesundheitsstationen und erhalten so die medizinische Versorgung aufrecht.
Während sich die Konflikthandlungen noch fern von Ruslana abspielten, traf sie ein persönliches Schicksal: Sie erlitt einen Schlaganfall und war zunächst bettlägerig. Ruslana war wie viele andere ältere und kranke Menschen verzweifelt. Sie konnte kaum noch laufen und benötigte medizinische Hilfe, doch wegen des anhaltenden Konflikts ist die medizinische Versorgung vielerorts zusammengebrochen. Jene, die ihr normalerweise helfen würden, werden als Sanitäterinnen und Sanitäter an der Front benötigt oder sind geflohen. Obwohl sie weit weg von den umkämpften Gebieten lebt, betrifft der Konflikt auch ihren Alltag. Eine Erkenntnis, die alle Ukrainerinnen und Ukrainer bedrückt und manchen die Hoffnung auf einen baldigen Frieden und Wiederaufbau nimmt.
Die aktuelle Situation in der Ukraine ist nach wie vor extrem fordernd. Dennoch ist es wichtig, den Wiederaufbau schon heute mitzudenken und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.
Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes
Neue Hoffnung schöpfen und an den Wiederaufbau des Landes denken – in ihrem schlechten körperlichen Zustand klingt das auch für Ruslana noch realitätsfern. Doch dann erhält sie Hilfe in einem Rehabilitationsprogramm, das wir gemeinsam mit dem Ukrainischen Roten Kreuz in verschiedenen Regionen des Landes anbieten. Mit dem Programm erreichen wir auch abgelegene Dörfer wie das von
Ruslana.
Nach acht Trainingseinheiten mit einem Physiotherapeuten geht es ihr schon viel besser. Durch gezielten Muskelaufbau erlangt sie ihre Selbstständigkeit zurück. Ruslana erlebt, dass sie nicht vergessen wurde, dass es noch Menschen gibt, die ihr helfen – für sie ein Grund zur Hoffnung.
Neben der körperlichen Rehabilitation bietet das Programm auch psychosoziale Unterstützung an. Mit den Schrecken des Konfliktes umgehen lernen – dabei brauchen nicht nur Veteranen und ihre Familien Hilfe. In der Ukraine gibt es niemanden, der nicht vom Konflikt betroffen ist. Wir planen, mit dem Programm jährlich bis zu 30.000 Menschen zu unterstützen.
Nach über dreieinhalb Jahren voller schlechter Nachrichten, persönlicher Verluste und Zerstörung fällt es den Menschen zunehmend schwerer, sich ihre Hoffnung zu bewahren. Doch wie das Beispiel von Ruslana zeigt, gibt humanitäre Hilfe neue Perspektiven. Unsere Arbeit fokussiert sich deshalb immer mehr auf gesundheitliche und soziale Angebote und schafft so neue Hoffnung für eine ganze Gesellschaft.
Auch für uns in Deutschland gehören Meldungen über den Konflikt in der Ukraine mittlerweile zum Alltag. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass hinter den Nachrichten immer die Schicksale einzelner Menschen stehen. „Ich glaube es ist unerlässlich, dass man versteht, was Krisen und Konflikte mit den Menschen machen“, betont Sarah Horváth, die den Einsatz des Deutschen Roten Kreuzes in der Ukraine mit koordiniert.
Anfang Juni schlugen in der Region Riwne, in der auch Ruslana wohnt, Drohnen und Raketen ein. Trotzdem hält sie an einer Perspektive für die Zukunft fest, denn seit ihr geholfen wird, fühlt sie sich nicht mehr alleingelassen. Und das gibt ihr Hoffnung.