· Berlin · 16/24

Sozi­al­kür­zungen verhin­dern: Wohl­fahrts­ver­bände mussten schon Angebote einschränken oder einstellen

Ein ehrenamtlich Engagierter liest mit Kindern ein Buch.
© Willing-Holtz / DRK

Vor dem Hintergrund drohender Kürzungen im Bundeshaushalt warnen die Spit­zen­ver­bände der Freien Wohl­fahrts­pflege vor einer gefährlichen Abwärtsspirale, in der immer mehr Angebote der Sozialen Arbeit eingestellt werden müssten. Menschen in schwierigen Lebens­si­tu­a­ti­onen und Notlagen zu helfen, wird für die Einrichtungen und Dienste der Freien Wohl­fahrts­pflege angesichts massiver Kosten­stei­ge­rungen und sinkender Haus­halts­mittel immer schwieriger. Die Spitzen von Arbei­ter­wohl­fahrt Bundesverband (AWO), Deutschem Caritasverband (DCV), dem Paritätischen Gesamtverband, Deutschem Roten Kreuz (DRK), der Diakonie Deutschland und der Zentral­wohl­fahrts­stelle der Juden in Deutschland (ZWST) fordern eine Trendwende bei der Finanzierung der Sozialen Arbeit. Sie sehen bei weiteren Kürzungen den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet.

In den heute vorgelegten Ergebnissen der Umfrage zur finanziellen Lage der Einrichtungen und Dienste der Freien Wohl­fahrts­pflege wird ein teilweise pessi­mis­ti­sches Stimmungsbild von der Zukunft der Sozialen Arbeit in Deutschland deutlich.

Dies sind die wichtigsten Ergebnisse:

  • Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen. 63,8 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Angebote und Leistungen einschränken mussten. Bei 14,7 Prozent der Befragten führte dies sogar dazu, dass Angebote und Leistungen gänzlich eingestellt werden mussten.
  • Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen. 75,6 Prozent der Befragten erwarten, dass sie 2025 weitere Angebote und Leistungen zurückfahren müssen. Dabei gaben 22 Prozent an, dass Angebote und Leistungen ganz wegfallen könnten.
  • Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird. Vielfach sind die Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege in ihren Quartieren, Städten und Regionen Ankerpunkte für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement. 70,5 Prozent der Befragten sind sich sicher oder befürchten, dass dieses Engagement durch den Wegfall ihrer Angebote und Leistungen ebenfalls zurückgehen wird.

BAGFW-Präsident Michael Groß (Arbei­ter­wohl­fahrt Bundesverband): „Unsere Umfrage zeigt: Die Sparpolitik des Finanz­mi­nis­ters ist eine ernste Bedrohung für die soziale Infrastruktur in unserem Land. Statt auf Kosten der Menschen und ihrer Zukunft zu sparen, muss die Bundes­re­gie­rung umsteuern und in Zusammenhalt investieren!“

Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Cari­tas­ver­bandes (DCV): „Kitas und Sozi­al­sta­ti­onen, Schuld­ner­be­ra­tungs­stellen und Fami­li­en­zen­tren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohl­fahrts­pflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schick­sals­schlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begeg­nungs­räume zerstört.“

Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamt­ver­bandes: „Ungleichheit und Armut gefährden die Grundlagen sozialer und politischer Teilhabe. Das Abhängen ganzer Regionen und Stadtteile sowie die massenhafte Ausgrenzung von Menschen dürfen wir uns nicht länger leisten. Mit dem Bundeshaushalt 2025 muss die Bundes­re­gie­rung ein Signal gegen Verdrossenheit und Resignation setzen - für soziale Rechte und gemeinnützige Angebote, für alle und vor Ort.“

Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK): „Eine starke Gesellschaft lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die im Sinne des Gemeinwohls mitgestalten. Wenn soziale Angebote beispielsweise in der Alten-, Kinder- und Jugendhilfe wegfallen, fallen auch Orte des ehrenamtlichen Engagements und damit des gesell­schaft­li­chen Zusammenhalts weg. Um dem Ausein­an­der­driften unserer Gesellschaft entge­gen­zu­wirken, muss dringend in den sozialen Sektor investiert und das Ehrenamt gestärkt werden. Schließlich ist das Ehrenamt das Rückgrat unserer Gesellschaft. Daran zu sparen wäre fatal.“

Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland: „Die Gestaltung des Bundes­haus­halts wirkt sich auf das Vertrauen der Menschen in die Demokratie aus. Weitere Kürzungen bei sozi­al­po­li­ti­schen Leistungen und bei der Förderung von Freiwilligem Engagement im Bundeshaushalt 2025 sind demo­kra­tie­ge­fähr­dend und nicht akzeptabel. Wer stattdessen die soziale Arbeit in den Wohl­fahrts­ver­bänden stärkt und in den Sozialstaat investiert, sichert die Demokratie und unterstützt konkret den gesell­schaft­li­chen Zusammenhalt.“

Abraham Lehrer, Präsident der Zentral­wohl­fahrts­stelle der Juden in Deutschland (ZWST): „Mit den Krisen der vergangenen Jahre haben die Bedarfe im Bereich Integration und Migration stark zugenommen. Die zivil­ge­sell­schaft­li­chen Bera­tungs­struk­turen sind diesen Heraus­for­de­rungen erfolgreich entge­gen­ge­treten. Aus der Erfahrung der Integration jüdischer Kontin­gent­flücht­linge wissen wir: Die Unterstützung und Befähigung gesell­schaft­li­cher Teilhabe ist eine Lang­zeit­auf­gabe und erfordert verlässliche Strukturen. Unzureichende Bera­tungs­struk­turen können gesell­schaft­liche Spaltung bedeuten und anti­de­mo­kra­ti­sche Ressentiments befeuern.“

Eine Zusam­men­fas­sung der Umfra­ge­er­geb­nisse befindet sich hier auf der Webseite der BAGFW.

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