Die Jahre 1910 – 1940

Frühe Kinder- und Jugendgruppen im Roten Kreuz

Spätestens zu Anfang des 20. Jahrhunderts kommt es zur Gründung von Kinder- und Jugendgruppen durch die Rotkreuzvereine. Ein frühes Beispiel bei den Männervereinen ist die „Knabensanitätskolonne“ in Brunsbüttelkoog aus dem Jahr 1906. Andere bieten Kurse für Schüler in Erster Hilfe an. Ziel ist nicht nur eine breitere Qualifikation von Laien, es wird auch für eine künftige Mitarbeit geworben.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs erfährt diese Entwicklung weiteren Auftrieb. Viele Mitglieder der Sanitätskolonnen müssen Kriegsdienst leisten, und so setzt man die Altersgrenze für Neuaufnahmen weiter nach unten, denn junge Mitglieder können nicht gleich wieder zum Militärdienst eingezogen werden. Auch die Frauenvereine gründen Jugend- und sogar Kindergruppen. Als Ziele werden einerseits die „Herstellung von Arbeiten für die Kriegskranken- und Kriegswohlfahrtspflege“ aufgeführt, andererseits ausdrücklich auch die „Friedensarbeit“. Ferner werden Ausflüge und Wanderungen, „Vertiefung der Heimatkunde“, „Pflege des Gesanges“ und „volkstümliche Spiele“ genannt. Diese Aktivitäten werden dann auch nach Gründung des Jugendrotkreuzes parallel zu diesem weiterbetrieben.

Wir gehen jede Woche zum Baden, die Knaben des Donnerstags und die Mädchen des Sonnabends. Ihr müsst aber nicht denken, daß wir zu Fuß gehen. Wir werden mit einem Auto hingefahren. Wenn wir gebadet haben, nehmen wir noch ein Luft- und Sonnenbad, und wir turnen ein bißchen. Um halb drei Uhr kommt das Auto wieder. Ist es bei Euch auch so?

Ein Mädchen aus Magdeburg1927

Wie alles beginnt

Der Erste Weltkrieg hat Deutschland verändert: Aus der Monarchie ist ein demokratischer Staat geworden, begleitet von weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen. Auch das Rote Kreuz ist betroffen. 1921 entsteht aus den 25 Landesorganisationen das einheitliche Deutsche Rote Kreuz, in dem Männer- und Frauenvereine unter einem Dach zusammenarbeiten. Vier Jahre später wird das Jugendrotkreuz gegründet. Am 27. Mai 1925 schreibt der erste DRK-Präsident, Joachim von Winterfeldt-Menkin, an die Mitgliedsvereine:

„Der Hauptvorstand hält die Schaffung eines Jugendrotkreuz im organischen Zusammenhang mit der Vereinsorganisation auf dem Weg über die Schule und mit Hilfe der Lehrerschaft für dringend geboten.“

Insbesondere in (Groß-)Städten sehen Rotkreuzler, dass Kinder und Jugendliche sich selber überlassen bleiben. In den Schulen haben engagierte Lehrer Initiativen ergriffen, um ihnen einen geordneten Rahmen zum Lernen zu geben. Die neu gegründete Liga der Rotkreuzgesellschaften ermutigt von Paris aus ihre Mitglieder, internationale Jugendkontakte durch Brieffreundschaften aufzubauen. Die entstehende Reformpädagogik schafft mit ihren Forderungen nach mehr Selbstbestimmung, Naturbewusstsein, Betonung von Gemeinschaft und Heimat einen inhaltlichen Rahmen, in dem das Jugendrotkreuz schnell seine eigene Grundlage findet.

Ab 1926 gibt der Hauptverband mit der Zeitschrift Deutsche Jugend einen Kurs vor, der mit dem Leitwort „ich diene“ umschrieben werden kann. Lehrer unterstützen das Bestreben des JRK zum „Dienst an der Gesundheit“ oder „Dienst am Nächsten“ ebenso wie den Schulbriefwechsel, der im Sinne der Völkerverständigung wirken soll.

Wir alle streben danach, die Ziele des Jugendrotkreuzes zu erfüllen. So haben wir im vergangenen Jahre eine Kleidersammlung gemacht, die wir den bedürftigen Kindern zu Weihnachten geschenkt haben. Auch helfen wir dem Frauenverein, wenn sich Gelegenheit bietet. So haben wir bei einer Adventfeier geholfen.

Mädchen1933, 13 Jahre

Wie es weitergeht

Ende der zwanziger Jahre schwindet mit der immer stärkeren Polarisierung der Gesellschaft der aktive Beistand durch halboffizielle Stellen. Statt offener Arbeit für den Nächsten verlangen viele ein stärkeres Bekenntnis zu einer politischen Seite. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 entzieht die faschistische Gesinnung in Schulen und öffentlichen Einrichtungen dem Jugendrotkreuz immer mehr den Boden – getreu dem nationalsozialistischen Diktum „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“.

Das Jugendrotkreuz passt sich dieser Entwicklung an, es will, so JRK-Referent Walther Georg Hartmann, „Stil und Geist der neuen Zeit“ in seine Arbeit integrieren. Inhaltlich besetzt die Hitlerjugend die Ziele des Jugendrotkreuzes wie die Gesundheitserziehung oder den Dienst am Nächsten. Das Jugendrotkreuz verliert dadurch an Zulauf und Aufgaben. Hatte es 1933 noch gut 24.000 Mitglieder, so sind es 1935 nur noch 18.000. So wie die Rotkreuz-Frauenvereine in die Nationalsozialistische Frauenschaft eingegliedert werden, so werden auch alle Jugendgruppen des JRK dem Reichsjugendführer unterstellt; eine eigenverantwortliche Jugendarbeit ist nicht mehr möglich. Der Nachwuchs wird vielfach aus den Jugendorganisationen der NSDAP, der Hitlerjugend (HJ) bzw. dem Bund deutscher Mädel (BDM) rekrutiert, so dass bereits politisch indoktrinierte Jugendliche zum DRK stoßen.

Im Oktober 1935 schließlich wird die Entwicklung auch juristisch besiegelt. Ein Abkommen zwischen Reichsjugendführung und DRK erwirkt, dass bis zum 30. Juni 1936 alle JRK-Mitglieder, die noch nicht der HJ angehören, in diese überführt werden sollen: „Damit erübrigt sich die Weiterführung eigener Jugendgruppen.“

Die JRK-Zeitschrift Deutsche Jugend, erst 1935 von der NSDAP-Reichsleitung offiziell anerkannt und anderen Jugendzeitschriften gleichgestellt, besteht fürs erste weiter, doch im März 1936 erscheint sie zum letzten Mal.

Die Schulbriefwechsel, die ebenfalls in die NS-Propaganda einbezogen werden, bleiben zunächst bestehen, können jedoch spätestens mit Kriegsbeginn nicht mehr fortgesetzt werden.

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