Junge Männer lächeln am Tisch

Von der Theorie zur Praxis: Erste Hilfe im Gazastreifen

 - Gazastreifen, Palästina

Es findet bereits der dritte und letzte Trainingstag statt, als wir den Erste-Hilfe-Kurs von Mohamad besuchen. Der 38-jährige Rettungsassistent arbeitet seit 20 Jahren beim Palästinensischen Roten Halbmond und führt regelmäßig Trainings in Erster Hilfe im ganzen Gazastreifen durch.

„Wir müssen uns im Notfall selbst helfen können“

Mann macht Selfie vor Schülern
Rettungsassistent Mohamad und die Schüler seines Erste-Hilfe-Trainings

Hier an der Haroun Al Rasheed Schule in Khan Younis im nördlichen Gazastreifen hören 25 jugendliche Schüler ihrem Trainer konzentriert zu, als er ihnen erklärt, wie man lebensrettende Sofortmaßnahmen bei drohender Erstickung anwendet.

„Es ist unglaublich wichtig, so vielen Menschen wie möglich beizubringen, wie man in einer Notfallsituation richtig handelt. Vor allem hier bei uns. Die Gesundheitseinrichtungen sind überfordert und arbeiten mit den nötigsten Mitteln. Wir müssen uns im Notfall selbst helfen können. Wenn wir die ersten sind, die an einen Unfallort gelangen oder in unserer Umgebung etwas passiert, sind wir vorbereitet“, beschreibt Mohamad.

Erste-Hilfe-Lehrer greift Schüler um den Bauch
Mohamad erläutert eine Sofortmaßnahme bei drohender Erstickung.

Stärkung der Gemeinden

Der Gazastreifen ist in vielerlei Hinsicht geprägt von einer angespannten politischen und sozioökonomischen Lage. Allein im Gesundheitsbereich sind mittlerweile knapp 1,3 Millionen Menschen auf direkte Unterstützung angewiesen. Bei insgesamt 1,8 Millionen Einwohnern ist das eine erhebliche Anzahl. Indem die Gemeinden und deren Bewohner in verschiedenen Bereichen ausgebildet werden, werden diese gestärkt und können sich in schwierigen Situationen gegenseitig unterstützen.

Dazu trägt auch das Training von Mohamad bei. Einer seiner Schüler erklärt uns, wie sie das Gelernte bereits in die Praxis umsetzen konnten. Am Nachmittag des zweiten Trainingstags sei ein Mitschüler aus einer anderen Klasse plötzlich kollabiert. Einige von Mohamads Schülern waren zufällig in der Nähe und haben direkt reagiert und sich um ihn gekümmert.

„Ich bin sehr stolz“

„Es ist toll zu sehen, dass wir in einer realen Notfallsituation anwenden können, was wir in den letzten Tagen gelernt haben“, sagt Ahmed. „Wir haben einen Krankenwagen gerufen, die lebenswichtigen Funktionen unseres Mitschülers geprüft und versucht ihn zu stabilisieren.“ Fadi fügt hinzu, dass es in dieser Situation vor allem auch wichtig war, die Würde des Erkrankten zu wahren: „Einige von uns haben sich darum gekümmert, dass sich nicht zu viele Menschen ansammeln. Man muss die Privatsphäre eines kranken Menschen respektieren.“

Nach diesem Ereignis hat sich Mohamad mit seinen Schülern zusammengesetzt und den gesamten Ablauf besprochen. „Ich bin sehr stolz. Sie haben richtig gehandelt und den Ablauf, den ich ihnen beigebracht habe, eingehalten“, fügt er lächelnd hinzu.

Das Deutsche Rote Kreuz in Gaza

Das Deutsche Rote Kreuz – unterstützt von CANON und dem Britischen Roten Kreuz – führt im Gazastreifen Projekte zur Stärkung der Kapazitäten, zur Prävention und Bewältigung von Notfällen in einer Vielzahl von Gemeinden durch. Sie zielen darauf ab, die Freiwilligen unserer Schwestergesellschaft, dem Palästinensischen Roten Halbmond, die für Erste-Hilfe-Trainings und die Förderung der Gesundheitsvorsorge in den Gemeinden verantwortlich sind, zu stärken und deren Wissen weiter auszubauen. Darüber hinaus soll der Zugang zu Gesundheitsdiensten für die Bevölkerung verbessert werden. In einer Notfallsituation wird so sichergestellt, dass betroffene Familien und Freiwillige in der Lage sind, schnell und effektiv zu reagieren und die Gesundheitseinrichtungen optimal auf die Versorgung von Patienten vorbereitet sind.

Fotos: Palästinensischer Roter Halbmond